Der Arbeitskreis Mobilität und Stadtentwicklung der Lokalen Agenda 21 hat eine Stellungnahme zur Maßnahme „Westumfahrung Trier“ im Bundesverkehrswegeplan 2030 erarbeitet und an die Mitglieder des Bundesverkehrsausschusses gesendet. Die Stellungnahme wird mitgetragen von wichtigen Akteur:innen, die sich auf kommunaler und regionaler Ebene für Klimaschutz, Nachhaltigkeit und eine klimafreundliche Verkehrspolitik einsetzen, wie der Kreisgruppe Trier-Saarburg des BUND, NABU Region Trier, dem adfc (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club), Nein zum Moselaufstieg e.V. und dem VCD.
Zusammenfassung
1. Die Anhebung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses des Moselaufstiegs im BVWP 2030 von 1,3 auf 10,0 ist nie begründet worden und ist dementsprechend nicht nachvollziehbar.
2. Das Verkehrsgutachten, mit dem die Notwendigkeit des Projektes begründet wird, weist erhebliche methodische Fehler auf.
3. Die prognostizierte Steigerung der Pendlerzahlen für Luxemburg um 49 Prozent ist unrealistisch, da sogar in den Boom-Jahren 2008 bis 2018 die Zahl der Grenzpendler nur um 28 Prozent zugenommen hat.
4. Die prognostizierte Entlastung für Trier als Durchgang für MIV und Schwerlastverkehr wird das Planvorhaben nicht leisten, da es sich auf den Uferstraßen von Trier zu 90 Prozent nicht um Durchgangsverkehr, sondern um hausgemachten Ziel- und Quellverkehr aus dem Stadtgebiet selbst handelt.
5. Die Verkehrsprognosen für den Moselaufstieg berücksichtigen nicht die veränderte Verkehrsinfrastruktur: den kostenlosen ÖPNV in Luxemburg, die für 2024 geplante Inbetriebnahme der sog. Weststrecke, die einen halbstündigen Takt zwischen Wittlich und Luxemburg bzw. Saarburg etablieren wird, die Ausweitung der Fernbusangebote sowie der Ausbau des Radschnellweges entlang der Mosel.
6. Dem Bau der Westumfahrung Trier würde eine Waldfläche von 26 ha zum Opfer fallen. Das bedeutet ein Verlust an CO₂-Speicherung von rund 9.000 Tonnen, was etwa 4 Prozent des CO₂-Ausstoßes aus dem Trierer Verkehr ausmacht (Mobilitätsplan der Stadt Trier).
7. Der zum Höhenausgleich in der Talaue aufzuschüttenden Damm wirkt als Barriere für die Westwinde, was die klimatische Situation und die Lufthygiene in einer kritischen Region (Mosel als Kerbtal mit hoher Inversionswetterlage) erheblich verschärft. In einer Region mit ausgeprägtem Tourismus wäre ein solches Bauwerk als Eingriff in das Landschaftsbild nicht vertretbar.
8. Die Planung des Moselaufstieges wäre mit unzulässig hohen Eingriffen in den Naturhaushalt und in ein großflächiges Landschaftsschutzgebiet verbunden (Zerstörung eines unzerschnittenen Waldgebietes). Deshalb müsste das Planverfahren, einschließlich der
umweltrelevanten Prüfungen (UVP), mit den neu zu ermittelnden ökologischen Randbedingungen komplett neu gestartet werden.
9. Eine Realisierung des Moselaufstiegs würde allen Zielen des Klimaschutzgesetzes widersprechen und ist daher aus Sicht des Klimaschutzes und der Lufthygiene nicht tolerabel. Die Unterzeichner plädieren deshalb für einen klimafreundlichen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur rund um Trier unter Einbeziehung von Luxemburg.
Begründungen
1. Modernisierung des BVWP 2030: Klimagerechter Verkehr statt Ausbau von Straßen
Für eine Neubewertung und Überarbeitung des BVWPs 2030 aus dem Jahr 2016 spricht allein schon die Tatsache, dass dieser die aktuellen gesetzlichen Vorgaben zum Klimaschutz durch das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung von 2019, das Urteil das BVerfG vom März 2021 zur Verfassungswidrigkeit dieses Gesetzes sowie das überarbeitete Klimaschutzgesetz der Bundesregierung von 2022 nicht berücksichtigt. Infolgedessen schließen wir uns der Forderung des Thinktank Agora Verkehrswende an, die derzeit laufende Überprüfung der Vorhaben im Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) für eine grundsätzliche Modernisierung der Planung von Verkehrsinfrastruktur des Bundes zu nutzen. Das bisherige Verfahren beruht auf überholten Szenarien und wird den Anforderungen des Klima- und Umweltschutzes nicht gerecht. Auch die vom BUND beauftragte Rechtsanwaltskanzlei Baumann kommt in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis, dass „der gesetzliche Bedarfsplan 2030 für Straßen formell rechtswidrig und materiell verfassungswidrig“ da er weder die Richtlinien der Strategischen Umweltprüfung erfüllt noch mit dem Gebot der intertemporalen Freiheitssicherung aus dem BVerfG-Urteil von 2021 und Art. 20a GG vereinbar ist. Gegen neue Straßen sprechen verschiedene Gründe:
a) Deutschland ist das am stärksten von Autobahnen und Schnellstraßen durchzogene Land Europas.
b) Neue Straßen zerstören weitere Teile unserer Landschaft und damit unsere Lebensgrundlage.
c) Neue Straßen zerschneiden noch einigermaßen zusammenhängende Landschaften.
d) Neue Straßen zerstören trotz Artenschutz-Monitoring und Ausgleichsmaßnahmen Naturschutz- und FFH-Gebiete.
e) Neue Straßen ziehen weiteren motorisierten individuellen Verkehr nach sich, statt ihn zu verringern.
Aus den genannten Gründen folgt: Erstens muss es vorrangige Zielsetzung im Bundesverkehrswegeplan sein, dass der Erhalt und die Renovierung von Verkehrswegen und Brücken Vorrang vor dem Neubau haben. Zweitens ist die Förderung von klimafreundlicher Mobilität wie ÖPNV, Schiene, Wasserwege und Radverkehr zu stärken.
2. Argumente für eine Streichung der Westumfahrung Trier („Moselaufstieg“) aus dem Verkehrswegeplan 2030
Der sogenannten Moselaufstieg war bereits im BVWP 1993 als „vordringlicher Bedarf“ eingestuft, wurde aber im BVWP 2004 in den „weiteren Bedarf“ abgestuft. Außerdem war eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vor dem OVG Koblenz erfolgreich. Auf Initiative des Bundesverkehrsministeriums und gegen den Willen des Landes Rheinland-Pfalz erfolgte überraschenderweise 2016 die Wiederaufnahme des Projekts in den BVWP 2030 mit einem nicht erklärbaren Nutzen-Kosten-Quotienten von über 10,0, der zuvor in den 1990er Jahren etwa bei 1,3 lag. Eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten aus dem Wahlkreis Trier-Saarburg, Corinna Rüffer, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, im Jahre 2016 (Drucksache 18/8630) führte zu keiner Klärung dieser Anhebung der Dringlichkeit. Entsprechend den im Abschnitt 1 genannten Gründen für eine Modernisierung des BVWP 2030 sprechen für eine Streichung der Westumfahrung Trier aus dem Bundesverkehrswegeplan rechtliche, ökologische, klimapolitische und verkehrspolitische Gründe.
Verkehrspolitische Argumente
Aktuelle Planungsgrundlage für die Westumfahrung ist ein Verkehrsgutachten des Ingenieursbüros VERTEC vom April 2021, das der Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz in Auftrag gegeben hatte, um das Verkehrsaufkommen für das Jahr 2035 zu ermitteln. Der VCD Kreis Trier-Saarburg bezweifelt, dass das mit dem methodischen Ansatz des Gutachtens gelingen kann: „Ein generelles Verkehrsgutachten darf als Bezugsgröße nicht die Kfz-Fahrten pro Tag haben, sondern sollte Personenfahrten pro Tag oder Personenwege pro Tag betrachten. Es sind nämlich nicht die Autos, sondern die Menschen in den Autos, die den Verkehr machen“.
Neben weiteren methodischen Schwächen ist die im VERTEC-Gutachten angenommene Steigerung der Pendlerzahlen für Luxemburg um 49 Prozent unrealistisch. Selbst in den Boom-Jahren 2008 bis 2018 hat die Zahl der Grenzpendler nur um 28 Prozent zugenommen. Unberücksichtigt bleibt, dass der deutsche Anteil der Einpendler nach Luxemburg nur 25 Prozent ausmacht und die Zunahme der Grenzpendler sehr viel stärker von Franzosen und Belgiern als von Deutschen getragen wurde. Angesichts von Homeoffice, kostenlosem ÖPNV in Luxemburg, begünstigten Bahn-Tickets bis zur Grenze und verbesserten Busverbindungen, muss man davon ausgehen, dass die angenommene Steigerung des MIV deutlich zu hoch angesetzt ist. Ein weiteres Argument, das im VERTEC-Gutachten für den Moselaufstieg angeführt wird, ist dessen Entlastungsfunktion für den MIV in Trier. Die prognostizierte Entlastung für Trier als Durchgang für MIV und Schwerlastverkehr wird das Planvorhaben aber nicht leisten, da es sich auf den Uferstraßen von Trier zu 90 Prozent nicht um Durchgangsverkehr, sondern um hausgemachten Ziel- und Quellverkehr aus dem Stadtgebiet selbst handelt.
Nach einem Gutachten der TU Dresden beträgt der PKW-Anteil in Trier bei Strecken von 1 bis 3 km 43 Prozent, bei Strecken von 3 bis 5 km bereits 61 Prozent. Dass der Moselaufstieg und die Westumfahrung eine „Umgehungsstraße für Trier“ seien, ist unplausibel. Die Verkehrsinfrastruktur hat sich für die Grenzpendler zwischen Deutschland und Luxemburg in den letzten Jahren erheblich verändert. Durch den kostenlosen ÖPNV in Luxemburg, die für 2024 geplante Inbetriebnahme der sogenannten Weststrecke, die einen halbstündigen Takt zwischen Wittlich und Luxemburg bzw. Saarburg etablieren wird, die Ausweitung der Fernbus-angebote sowie der Ausbau des Radschnellweges entlang der Mosel, schaffen die Voraussetzungen für eine andere Zusammensetzung des Modal Split. Hinzu kommen strukturelle Veränderungen im Mobilitätsverhalten der Grenzpendler. Es gibt eine Vielzahl von Indizien dafür, dass der stark gewachsene Anteil von Arbeitnehmer:innen, die einen Teil ihrer Arbeitszeit im Homeoffice verbringen, auch nach der Pandemie zumindest teilweise erhalten bleibt.
Auch der reine „Tanktourismus“ auf der Strecke Zewen-Igel-Wasserbillig wird mit zunehmender E-Mobilität und steigenden Preisen für luxemburgische Kraftstoffe künftig kontinuierlich abnehmen. Dass Verkehrsplanung auf der Basis linearer und eindimensionaler Modelle zu dramatischen Fehlplanungen führt, zeigt sich am Beispiel des sog. Hochmoselübergangs: Die hier zur Planberechtigung für das Jahr 2025 prognostizierte Belastung von 25.000 Kfz/Tag wird z. Z. gerade mal zur Hälfte erreicht. Folglich müsste sich der Verkehr in den kommenden 4 Jahren verdoppeln, um die Prognose zu erfüllen.
Ökologische und klimapolitische Argumente
Ein Viertel der klimaschädlichen CO₂-Emmissionen stammen aus dem Mobilitätssektor. Insofern spielt er eine zentrale Rolle bei der klimapolitischen Transformation. Gerade im Verkehr passiert für den Klimaschutz zu wenig, die Treibhausgasemissionen liegen heute – abgesehen von dem durch die Corona-Pandemie verursachten Sondereffekt – auf dem gleichen Niveau wie 1990. Bis 2030 sollen sie aber, durch das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung verbindlich verordnet, um 42 Prozent sinken. Das bedeutet eine Minderung um über 70 Millionen Tonnen bis 2030.
Da die EU-Kommission im Dezember 2020 beschlossen hat, ihr Klimaziel für 2030 nochmal nachzuschärfen – die CO₂-Emission soll auf 55 Prozent gesenkt werden – werden auch die Anforderungen an die nationalen Ziele steigen und damit wird auch der Verkehr seine Emissionen schneller senken müssen. Konkret bedeutet das: eine Reduktion der aktuellen CO₂-Emmission um die Hälfte in den kommenden 7 bis 8 Jahren. Dem Bau der Westumfahrung Trier würde eine Waldfläche von 26 HA zum Opfer fallen. Das bedeutet ein Verlust an CO₂-Speicherung von rund 9.000 Tonnen, was etwa 4 Prozent des CO₂-Ausstoßes aus dem Trierer Verkehr ausmacht (Mobilitätsplan der Stadt Trier).
Kompensationsflächen für diesen Kahlschlag sind in der Region Trier nicht mehr vorhanden. Als eine der heißesten Städte Deutschlands ist Trier auf kühlende Winde aus dem Westen insbesondere in den heißen Sommermonaten angewiesen. Der für den Höhenausgleich in der Talaue aufzuschüttenden Damm wird als Barriere für die Westwinde wirken und dadurch die klimatische Situation und die Lufthygiene in einer kritischen Region (Mosel als Kerbtal mit hoher Inversionswetterlage) erheblich verschärfen. Die Planung des Moselaufstieges wäre mit unzulässig hohen Eingriffen in den Naturhaushalt verbunden, denn im betroffenen LSG mit seinem bislang unzerschnittenen großflächigen Waldgebiet und seinem vielfältigen Artenpotential einschließlich dem potenziellen NSG Denners Acht zeichnen sich nur schwer überwindbare ökologische Hindernisse ab. Wegen der mittlerweile völlig veralteten Planungsgrundlage ist das Planverfahren wieder komplett – einschließlich Darstellung der vor-vorgesehenen Route und den möglichen Alternativen und einschließlich der umweltrelevanten Prüfungen (UVP) – mit den neu zu ermittelnden ökologischen Randbedingungen neu zu starten. Insbesondere der Artenschutz nach §44 BNatSchG (Vorschriften für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten) in Verbindung mit dem §37 (Aufgaben des Artenschutzes) und § 34 BNatSchG (Verträglichkeit und Unzulässigkeit von Projekten) müssen geprüft und bewertet werden.
Der Altholzbestand, in den in die letzten Jahre bereits eingegriffen wurde, ist in seinem alten Bestand zu bewerten (FFH-Arten wie Fledermäuse, Vogelwelt und Wildkatze, vermutlich weitere Arten der Tiergruppen Säuger und Insekten). Auch die Amphibien und Reptilien sind in der Bewertung einzubinden. Umfassende Datenerhebungen auf aktuellem Stand fehlen. Eine Realisierung des Moselaufstiegs würde allen Zielen des Klimaschutzgesetzes widersprechen und ist daher aus Sicht des Klimaschutzes und der Lufthygiene nicht tolerabel.
Aufgrund der aufgelisteten erheblichen Bedenken gegen die geplante Westumfahrung Trier plädieren die Unterzeichner dafür, diese Maßnahme aus dem Bundesverkehrswegeplan zu streichen.