“Starke Leitung – starke Kita”: Interview mit unserer Bildungsreferentin Sabine Mock

Mit Themen wie sozialer Gerechtigkeit, solidarischem Handeln, globalem Lernen sowie Schutz der Menschenrechte und der Umwelt beschäftigt sich unsere Bildungsreferentin Sabine Mock schon seit Jahrzehnten. Die Qualifizierung zur Fachberaterin „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ war daher ein logischer Schritt für sie. In diesem Interview mit dem Programm “Starke Leitung – starke Kita” der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) spricht sie darüber, wie sich Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) wirksam in Kitas umsetzen lässt und welche Chancen sich daraus für Kinder, Eltern und Kita-Teams ergeben.

Frau Mock, können Sie uns die Aufgaben einer BNE-Fachkraft näher erläutern?

Sabine Mock: BNE-Fachkräfte leisten einen wichtigen Beitrag zur Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung. Sie ermöglichen Kindern Zugänge zur Natur und zur Umwelt und schaffen damit die Grundlage für einen nachhaltigen Lebensstil. Aus dem Erleben mit und in der Natur sowie im eigenen Lebensumfeld unserer gemeinsamen Einen Welt erlangen Kinder wichtige Kompetenzen. Diese sind wiederum Voraussetzung dafür, um Nachhaltigkeit täglich zu leben.

An welchen Personenkreis richtet sich Ihre Qualifizierung zur „Fachkraft BNE“?

Sabine Mock: Angesprochen sind Erzieher:innen in Kindertagesstätten, Fachberater:innen, Lehrkräfte an Fachschulen sowie Freiberufler:innen, die in Einrichtungen, bei Trägern oder bei Trägerverbänden als Multiplikator:innen fungieren. Sie sind sowohl in der eigenen Einrichtung als auch in benachbarten Kitas im Einsatz, um BNE bekannt zu machen und um über entsprechende Angebote zu informieren.

Bildung für nachhaltige Entwicklung ist bekanntlich mehr als ein einmaliges Projekt – wie lässt sich BNE langfristig und wirksam in Kitas etablieren?

Sabine Mock: Bildung für nachhaltige Entwicklung sollte ein Gesamtansatz für die Institutionen der frühkindlichen Bildung sein: Die Art der Betriebsführung, die Auswahl von Verbrauchsgütern sowie die Gestaltung von Gebäude und Gelände sollten – sofern Einflussmöglichkeiten gegeben sind – einer Überprüfung hinsichtlich nachhaltiger Entwicklung standhalten. Gleichzeitig gilt es, Strategien und Maßnahmen zu entwickeln, die sicherstellen, dass entsprechende Bildungspläne verbindlich in der Kita-Praxis umgesetzt werden.

Welche Akteur:innen können dazu beitragen, dass BNE in den Kitas und bei der Ausbildung der Fachkräfte zu einem festen Bestandteil wird?

Sabine Mock: Vertretende von Kita-Trägern und deren Verbänden sind zentrale Ansprechpersonen, die mit dem Wunsch und der Forderung nach BNE adressiert werden können. Sie haben die Möglichkeit, das Thema in den Leitbildern und Qualitätsmanagementkonzepten zu verankern und auf diese Weise eine verbindliche Umsetzung zu gewährleisten. An Fach- und Hochschulen sollte BNE bestenfalls als ein eigenes Modul, aber auch als Querschnittsbereich eingeführt werden, der die gesamte Ausbildung oder das gesamte Studium durchzieht. Die Aufgabe besteht darin, ein gemeinsames umfassendes Verständnis für die Ziele und Inhalte von BNE zu entwickeln und zu fördern. Daraus lassen sich dann Schritte für einen kontinuierlichen Prozess im Arbeitsalltag einer Kita herleiten. Dabei erfahren Leitungspersonal und pädagogische Fachkräfte das Thema BNE durch konkrete Unterstützungs- und Vernetzungsangebote bestenfalls als selbstverständlichen Teil ihres professionellen Handelns. Sie werden befähigt, entsprechende Veränderungen je nach individueller Ausgangslage vor Ort umsetzen.

Welche Rolle spielt das direkte Umfeld, also der Sozialraum einer Kita für die Beschäftigung mit BNE-Themen?

Sabine Mock: Eine themenbezogene Netzwerkarbeit hilft, BNE im Arbeitsumfeld der Kindertageseinrichtungen zu etablieren. Eine Öffnung der Kitas in das sie umgebende Umfeld, in das Quartier, befördert das Konzept der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Durch Kooperationen mit lokalen Institutionen und Netzwerken, die einen Bezug zu Nachhaltigkeit besitzen, kann sowohl der Brückenschlag zu neuen Lernchancen als auch die Förderung des „Umwelt-Lernens“ gelingen.

Wie gelingt es im Kita-Alltag, auch den Jüngsten ein gewisses Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu vermitteln?

Sabine Mock: Schon in der frühen Kindheit ist die altersgerechte Auseinandersetzung mit zukunftsrelevanten Themen möglich. Kita-Kinder stellen viele Fragen rund um Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Sie finden die Antworten am liebsten selbst heraus – in Experimenten, kleinen Forschungsprojekten oder bei Ausflügen in die Natur. Naturwissenschaftliche Phänomene können praxisnah und spielerisch behandelt werden, das kommt dem Entdeckergeist der meisten Kinder entgegen.

Inwiefern kann die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Nachhaltigkeitsthemen die kindliche Entwicklung fördern?

Sabine Mock: Die Projektarbeit ist dem kindlichen Lernen in besonderer Weise angemessen und fördert Selbstorganisation, Gemeinschaftssinn, Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse. Dies stärkt wiederum die kommunikative Kompetenz. BNE fördert durch Partizipation, Situations- und Handlungsorientierung auch die Inklusion in der frühkindlichen Bildung. Das Themenfeld lässt die Kinder erleben, wie sie Aufgaben in heterogenen Gruppen gemeinsam und konstruktiv lösen können. Durch den globalen Horizont hat Bildung für nachhaltige Entwicklung außerdem einen engen Bezug zu den Themen Migration und Diversität. Insbesondere in vielfältigen Gruppen, wie wir sie in der frühkindlichen Bildung oft vorfinden, besteht die Chance, dass Kinder die Vielfalt der Menschen und Perspektiven als normal und bereichernd kennenlernen.

Was brauchen die Einrichtungen, um BNE wirksam im Kita-Alltag umzusetzen?

Sabine Mock: Gut ausgebildete pädagogische Fach- und Leitungskräfte sind ein wichtiger Faktor, ebenso wie ein angemessener Personalschlüssel. Wichtige Rahmenbedingungen sind außerdem ausreichend räumliche, finanzielle und zeitliche Ressourcen, um den Prozess auf allen Ebenen zu unterstützen. Die Kita als Lernort für BNE zu begreifen, ist eine Herausforderung und nimmt die Kita als Ganzes in den Blick, mit allen, die am Bildungsauftrag beteiligt sind. Es handelt sich also um einen gesamtinstitutionellen Ansatz. Idealerweise könnte ein Förderprogramm den flächendeckenden und nachhaltigen Umbau von Kitas sowie die Umsetzung einer qualitativ hochwertigen BNE in der Ausbildung, Weiterbildung oder Beratung ermöglichen und stärken.

Sie haben bereits zahlreiche Qualifizierungen zur “BNE-Fachkraft” begleitet – welche Rückmeldung erhalten Sie von den Teilnehmenden, die sich in Ihrer Kita für Nachhaltigkeitsthemen stark machen?

Sabine Mock: Die Teilnehmenden sind interessiert, sich mit Grundlagen der Bildung für nachhaltige Entwicklung zu beschäftigen. Zugleich sind sie motiviert, konkrete Beispiele kennenzulernen, wie man BNE als pädagogische Fachkraft umsetzen und gestalten kann oder welche Partner:innen es dafür gibt. Einige Teilnehmende sind aus eigenem Antrieb schon lange mit ganzem Herzen bei der Sache. Sie wollen die Auswirkungen unseres Handelns auf die Welt verstehen, verantwortungsvolle, nachhaltige Entscheidungen treffen und diese mit den Kindern leben. Sie integrieren BNE also nahtlos.

Das klingt nach großem Engagement. Doch sicherlich ist es für manche Fachkräfte auch nicht einfach, das Gelernte wie geplant in der Praxis umzusetzen. Auf welche Herausforderungen stoßen sie im Kita-Alltag?

Sabine Mock: Manche Adressat:innen empfinden die Komplexität des BNE-Konzeptes als eine Hürde bei der Vermittlung des Themas. In Zeiten des Fachkräftemangels und der gleichzeitig wachsenden gesellschaftlichen und sozialen Herausforderungen erscheinen andere Maßnahmen und Konzepte dringlicher. Sie fühlen sich überfordert, wenn es um die Auseinandersetzung mit BNE geht. Hier ermutigen wir zu einem Zugang nach dem Motto: „BNE heißt: Nicht mehr, aber anders.“ Das Aufsetzen dieser „BNE-Brille“ hilft, bei verschiedenen Themen und Entwicklungen mehr auf die Lösung und die praktische Umsetzung zu fokussieren, statt in pessimistischen Prognosen zu verharren.

Wie schätzen Sie den aktuellen Stellenwert von BNE in unserer Gesellschaft ein? Inwiefern trägt das Engagement in den Kitas dazu bei?

Sabine Mock: Vielleicht sind wir noch nicht lange genug im Prozess, um diese Frage ausreichend beantworten zu können. Aber generell hat Bildung für nachhaltige Entwicklung Rückenwind bekommen. Das zeigen der erklärte Wille von Wissenschaft, Politik, Parteien und Unternehmen, den Klimaschutz zu verstärken und Nachhaltigkeit voranzubringen. Nachhaltige Entwicklung ist heute eine Leitidee und Modernisierungsposition; es gibt positive Signale dafür, dass entsprechende Aktivitäten, Vernetzungen und Forschungsansätze intensiviert werden. Diese Entwicklung bestätigt Kita-Teams in ihrem eingeschlagenen Weg. Wir leben in einer Zeit globaler Veränderungen in Umwelt, Klima und Politik. Die Umsetzung der UN-Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDG – Sustainable Development Goals) wird derzeit viel diskutiert. Da legen die Fachkräfte mit ihrer Entscheidung, BNE in ihrer Einrichtung umzusetzen, zur richtigen Zeit einen wichtigen und innovativen Beitrag vor.

Haben Sie vielen Dank für das spannende Gespräch.

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Das Interview wurde im Rahmen des Programms “Starke Leitung – starke Kita” der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) im Auftrag des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg geführt. Die DKJS agiert als Koordinierungsstelle.

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